Kindergeschichten

Pauline Fortsetzungsgeschichte von Schneelilie und Struwwelblume

Über Schneelilie Viola und Struwwelblume Kurt,die zusammen auf einer grünen Wiese am Ende der Welt standen und sich in Liebe zugetan waren,flog eines Tages eine Biene,setzte sich erst auf Viola,dann auf Kurt und flog nach einiger Zeit weiter. Unterwegs verlor sie etwas von dem Blütenstaub der beiden, der rieselte auf die Erde und blieb dort liegen. Einige Tage später blühte dort ein hübsches Gänseblümchen. Das war das Kind von Schneeelilie und Struwwelblume. Es war wie gesagt hübsch,aber nicht außergewöhnlich.

Außergewöhnlich aber war sein wunderbarer Gesang. Ihr wißt ja wie alle Kinder dieser Welt,große und kleine,dass Pflanzen singen können. Wissenschaftler haben das mit komplizierten Geräten und mit schwierigen Experimenten herausgefunden. Aber wir wissen das längst. Es muß nur sehr still sein und man muß sein rechtes Ohr an die Pflanze halten. Wichtig ist das rechte Ohr, dann hört man den Gesang. Er ist natürlich zart und leise.

Pauline,so heißt das Kind von Viola und Kurt,hatte die schönste Stimme,die man sich vorstellen kann. Jeder,der sie hörte,fing sofort an,vor Freude und Glück zu weinen. Pauline hatte keine Wurzeln wie die anderen Gänseblümchen. So konnte der Wind sie überall hintragen. Er wehte sie nach Süden,er wehte sie nach Norden,nach Westen und nach Osten. Manchmal wehte er sie auch an ihren Eltern vorbei. Dann winkten Viola und Kurt ihrem Paulinchen zu,das über sie hinwegschwebte,lauschten seinem feinen Gesang und waren stolz und froh.

Eines Tages aber hörte der Wind auf zu blasen und Pauline sank langsam auf eine Wiese,die voller Gänseblümchen war,so wie sie. Da Pauline keine Wurzeln hatte,konnte sie nicht stehen. Also lag sie da,etwas hilflos und allein zwischen all den anderen fremden Gänseblümchen und begann in ihrer Einsamkeit zu singen. Die Gänseblümchen hatten sie sofort lieb und summten mit. Das hörte sich so schön an,dass ihr Euch das gar nicht vorstellen könnt. Nur Rudolf,ein unansehnlicher,unförmiger Stein,ein Findling,der in Paulines Nähe lag,machte ein noch verdrießlicheres Gesicht als sonst und beschwerte sich lauthals: “ Schluß mit der Katzenmusik „, raunzte er. Dabei stopfte er sich große Erdbrocken in sein breites Maul,weil er ständig Hunger hatte. Pauline sang weiter ihre herrlichen Melodien. Zwischendurch,das muß man zugeben,hatte sie ein wenig Gesangsunterricht bei der Nachtigall Maria genommen. Sie sang also, die anderen summten mit. Es war zum Steinerweichen. Bald war es auch um Rudolf geschehen. Er heulte laut. Dicke Steinstränen kullerten aus seinen Augen,die sich sofort in kleine runde Findlinge verwandelten und gleich um Papa Rudolf rumtobten.

Das war ein ziemlicher Lärm,und so überhörten alle beinahe ein gefährliches Geräusch. Ein Brausen,Knattern,Ächzen und Dröhnen. Das war Göga. Die unbarmherzige,gnadenlose,gänseblümchenfressende Mähmaschine. Sie hatte große,scharfe Haifischzähne im Mähmaschinenmaul und näherte sich unseren Freunden,um sie hungrig zu verschlingen. “ Bitte,bitte hilf uns,Rudolf! „, flüsterten die Gänseblümchen. “ Nicht schon wieder. Es ist jedes Jahr dasselbe. Wißt Ihr,wie anstrengend das ist, Jahr für Jahr dem Göga das Maul zu stopfen? „, schimpfte der mürrische Rudolf. In Wirklichkeit hatte der große,dicke Stein aber ein Herz aus Gold. Zudem war er von Paulines Gesang zutiefst ergriffen. Sie sang unverdrossen weiter,trotz der Gefahr,in der sich alle befanden,denn sie war sehr mutig. Das hatte sie von Papa Kurt geerbt.

Paulines Melodien wurden immer zauberhafter,sodaß sogar die Sonne anfing zu weinen. Sogar der Mond. Die Wolken ballten sich über der totgeweihten Gruppe zusammen und weinten ebenfalls. Es begann leise und sacht zu regnen. Das rettete allen das Leben.

Es ist für eine Mähmaschine namens Göga schon gefährlich,wenn ihr auf einmal Steine ins gefräßige Maul fliegen. Aber nasse? Das bedeutet das absolute Aus. Rudolf nämlich rollte ächzend und stöhnend mitsamt seiner ganzen zahlreichen Kinderschar,die aus seinen Tränen entstanden waren,über die Wiese und mitten rein ins unfaßbar riesige Maul von Mähmaschine Göga,der dasselbe weit offen blieb. Göga bremste notgedrungen und blieb stehen.Und zwar für immer. Dass Rudolf und seine Kinder vom Regen klitschnaß waren,hatte ihr den Rest gegeben. Überall in ihr und um sie waren Steine,blockierten ihre Schrauben und Drähte. Das Maschinenöl floß aus und das wars. Göga war Geschichte.

Die Gänseblümchen dankten Rudolf überschwenglich. “ Ist gut „, brummte er und machte wieder sein griesgrämiges Gesicht. “ Jetzt gebt mal Ruhe und tobt nicht so wild in Göga rum „, rief er mit seinem breiten Maul den Steinkindern zu. Dabei blickte er die Kleinen liebevoll an. Pauline hatte erschöpft zu singen aufgehört und lächelte Rudolf dankbar an. Sie hatte die blauesten Augen der Welt und den schönsten roten Blumenmund. Rudolf rollte zu ihr hin und hüpfte ein paarmal auf derselben Stelle hoch und runter,bis eine kleine Kuhle in der Erde entstand. “ Hier kannst Du Wurzeln schlagen „, brummte er.

Das tat Pauline. Ein leichter Wind kam auf und wehte sie behutsam in die kleine Kuhle. Dort stand sie. Die Sonne hatte zu weinen aufgehört. Auch der Mond und auch die Wolken. Pauline bekam kleine Wurzeln. Sie stand sehr aufrecht. Manchmal sang sie zusammen mit den anderen Gänseblümchen.

Neben ihr lag Rudolf und paßte auf sie auf.

No Comments

Leave a reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *