Allgemein

Der Tag und die Nacht

Ein roter Bus fährt durch das Land. Innen ist er erleuchtet. Es sieht gemütlich aus und warm. Auf jedem Platz sitzt ein Mensch. Eine junge Mutter sitzt da mit ihrem kleinen Kind. Sie gibt ihm zu essen und spielt mit ihm, während der Bus gleichmäßig und ruhig dahinfährt und sein Licht eine große Behaglichkeit verbreitet. Auf einem anderen Platz sitzt ein alter Mann. Er unterhält sich mit seiner Frau, die mit lang ausgestreckten Beinen dicht neben ihm liegt, denn sie ist sehr krank. Die liebevoll gemurmelten Worte ihres Mannes trösten sie ebenso wie das sanfte Dahingleiten des Busses, in dem sie alle wohnen.
Ihnen schräg gegenüber streitet sich ein junges Liebespaar. Zwischendurch hören sie damit auf. Man hört, wie sie sich küssen. Dann kann man durch die hell erleuchteten Scheiben sehen, wie sie sich erneut streiten. Er schreit. Sie weint. Er wendet sich ab und setzt sich zu einer anderen jungen Frau, die direkt hinter ihm sitzt. Das Wehklagen seiner verlassenen Freundin beachtet er nicht, während der Bus mit unerschütterlicher Ruhe über die Felder fährt, durch die Wälder, vorbei an den großen Seen und Meeren und über die stillen Straßen der Welt. Egal ob es Tag ist oder Nacht. Er ist immer innen erleuchtet.
Zahllose Gesichter erkennt man hinter den Fensterscheiben des roten Busses. Gesichter, die weinen, Gesichter, die lachen. Ernste und lustige Gesichter. Es gibt in dem Bus auch einen Menschen, der einen anderen Menschen tötet. Das ist auch zu erkennen. Er zieht ein Messer und sticht den anderen damit tot, der in grausamem Entsetzen auf seinem Sitzplatz zusammensinkt, während der Bus dahinfährt, als wäre nichts geschehen. Langsam biegt er um eine Kurve. Für einen Moment ist er verschwunden und nicht zu sehen. Hinter der Kurve taucht er auf einmal wieder auf mit seinen hell erleuchteten Fenstern.
Doch die vertrauten Gesichter der Menschen sind nicht mehr da. Neue und unbekannte Gesichter sieht man jetzt hinter den Fensterscheiben. Sie streiten, lachen, schreien, schimpfen, fluchen, hassen, lieben, während der rote Bus durch die Felder und Wälder fährt, vorbei an den großen Seen und Meeren und über die stillen Straßen der Welt mit seinem warmen hellen Licht innendrin.

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