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Das pochende Herz

Die neue Geschäftsidee sich bei einem Schwein ein Viertel von ihm bereits zu seinen Lebzeiten reservieren zu lassen, es vor seiner Schlachtung zu besuchen und zu streicheln und es dann als ein glückliches Schwein zu bezeichnen, empfinde ich als zynisch. Für mich wäre es undenkbar.
Wenn ich mir vorstelle, ich besuche das lebendige Schwein, wie es mir fröhlich quiekend entgegenläuft, wie ich es streichele und das Herz unter meinen Händen pochen fühle, weil genau da das Viertel ist, das ich mir bestellt habe…nein, niemals könnte ich es schlachten lassen. Ich würde es entführen und bei mir auf dem Balkon als Hausschwein halten. Die Leute, denen die anderen Viertel gehören, dürften mich besuchen und dürften es umsonst solange streicheln, bis es sozusagen unentgeldlich abbezahlt ist und sie dann kein Anrecht mehr auf mein Schwein haben. Meine beiden Katzen Filou und Mia und mein Hausschwein Vita würden gute Freunde werden. Alle drei kuscheln sich nachts mit mir in mein Bett. Ich lese ihnen eine Geschichte von einem glücklichen Schwein vor, das mit all seinen Vierteln leben darf, das sich von der Sonne wärmen läßt, die kühle Luft atmet, tagsüber mit seinen beiden Freunden, den Katzen, auf dem Balkon spielt, auf dem ein Apfelbaum steht und ihnen Schatten spendet.
Manchmal rennen die drei in den nahegelegenen Wald, wo sie ein Reh treffen, das sich ängstlich vor den Jägern verbirgt und nun froh ist, nicht mehr allein zu sein. Zu viert toben sie ausgelassen durch den Wald, der sie gütig umgibt mit seinen alten knorrigen Bäumen. Sobald die Jäger mit ihren Hunden das Unterholz durchstöbern, grunzt mein Hausschwein Vita laut, um die anderen Tiere zu warnen, meine Katzen miauen und das Reh bellt. Das erschreckt die Hunde, die noch nie ein Reh haben bellen hören, das sich genauso anhört wie sie selbst. Sie denken, das Reh wäre auch ein Hund und rennen zu den vier tierischen Freunden über.
Nur der faule Hund vom Oberförster sitzt im Auto und ärgert sich, daß er gerade dabei ist ein wunderbares Abenteuer zu verpassen. Also klettert er etwas schwerfällig aus dem Auto und gesellt sich zu der inzwischen groß gewordenen Schar der Tiere. Die Jäger rufen und schreien wie verrückt und blasen in ihre Jagdhörner. Doch es nützt nichts. Die Tiere jagen dahin allen voran der stolze Kater Filou, der sie führt und groß und mächtig vor ihnen geradezu dahinzufliegen scheint. Auf seinem Rücken trägt er seine kleine Schwester Mia, die inzwischen müde geworden ist. Das Schwein Vita folgt ihnen auf den Fersen und keucht etwas. Es würde auch gerne getragen werden. Schließlich erbarmt sich das bellende Reh und nimmt es auf seinen Rücken. Die Hunde, die sie eigentlich jagen sollten, folgen ihnen mit begeistertem Gekläff, naschen unterwegs von den reichhaltigen Eicheln und unterdrücken dadurch ihren Appetit auf das Schwein Vita. Das Schlußlicht bildet der faule dicke Hund des Oberförsters. Manchmal bleibt er stehen, weil ihn das Laufen doch sehr anstrengt. Dann setzt er sich kurz hin und lehnt sich an den kräftigen Stamm einer Buche. Dort ruht er sich aus, während die Buche leise knarrt.

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