Kindergeschichten

Wie alles begann

Jakob,die Erdbeere

Es gibt ja im Sommer die großen Erdbeerfelder,auf denen sich die Menschen selber die Erdbeeren pflücken können und sich die eine oder andere gleich in den Mund stecken.

Oma Käthchen war eine sehr arme Frau,die ein kleines baufälliges Haus am Rande der Stadt bewohnte.Sie wohnte ganz allein darin,denn ihr Mann Ludwig hatte sie vor vielen Jahren verlassen,weil sie ihm zu unordentlich war und ihn nicht gut genug versorgte,wie er fand.

Oma Käthchen war unordentlich,das stimmte.Überall ließ sie ihre Sachen rumliegen und wurde deswegen von den Leuten Rumpeloma genannt.Sie trug weite,wehende Kleider,denn sie war ein durch und durch rundes Frauchen,trug ihre Strümpfe fast immer verkehrt rum aus Zerstreutheit,hatte ihre wenigen Haare zu einem dünnen Knötchen auf ihrem Kopf zusamengerollt und trug wegen ihrer kurzsichtigen Augen eine stark vergrößernde Brille.

Ihre Augen.

Sie waren blaßblau und die lustigsten Augen,die die Welt je gesehen hat.Weil nämlich Oma Käthchen ständig am Lachen und Kichern war wie ein junges Mädchen.Sie lachte trotz ihrer Armut,sie lachte,auch wenn sie Zahnschmerzen hatte,sie lachte ,auch wenn ihr die Rente gekürzt wurde,weil es dem Staat mal wieder finanziell schlecht ging.

Nur als Ludwig sie verließ,da lachte sie nicht.Sie weinte viele Tage und Nächte lang ,und die Menschen versuchten sie zu trösten,weil sie die ständig zersteute und vergeßliche Rumpeloma gern hatten,die immer so freundlich war und das wenige ,was sie hatte,mit ihnen teilte.

Der Sommer war eine gute Jahreszeit für Oma Käthchen,da konnte sie auf die Erdbeerfelder gehen und sich für wenig Geld Erdbeeren pflücken.Zu Hause machte sie sich dann Schlagsahne,die auch nicht so teuer war und aß dann die süßen Erdbeeren dazu.Davon wurde sie immer runder,aber auch hübscher,sie hatte rosige leuchtende Apfelbäckchen im lieben Rumpelomagesicht.

Oft ging Oma Käthchen erst spät abends,manchmal auch nachts aufs Erbeerfeld,wenn alle Menschen schon friedlich in ihren Betten schliefen.Denn sie liebte die Nacht und sie liebte es, morgens lange zu schlafen.Sie war halt etwas eigen.

Einmal,es war kurz vor Mitternacht,machte sich Oma Käthchen mal wieder auf den Weg,heißhungrig und voller Appetit.Sie näherte sich ihrem Lieblingserdbeerfeld und putzte sich dann erstaunt ihre Brille.

Die Erdbeeren standen nämlich nicht,wie es sich für anständige Erdbeeren gehört,brav in Reih und Glied,nein,sie standen überhaupt nicht,sie bewegten sich im Rhythmus hin und her,beugten sich nach rechts und links,seitwärts,rückwärts,seitwärts,sie tanzten,sie tanzten einen richtig flotten Tango und dazu summten und sangen sie:“Tango,Pariser Tango!“,oder so ähnlich.

Als sie Oma Käthchen erblickten,erschraken sie und flehten sie an,sie nicht zu pflücken und nicht zu verspeisen.

„Ich weiß,ich würde gut auf eine Erdbeersahnetorte passen“,schluchzte Rosalinde,eine besonders dicke und saftige Erdbeere.

„Und ich wäre gut für einen Magerquarkjoghurt geeignet“,fügte Jochen hinzu,eine dünne,etwas unreife Erdbeere.

„Und mich könnte man wunderbar zu einem Erdbeersoufflee verarbeiten.“Das war Jakob,der so sprach,eine große,schlaksige,tiefrote Erdbeere mit einem gesunden Selbstbewußtsein.

„Es wäre aber nett,wenn Du uns am Leben lassen würdest“,meinte er.“Wir geleiten Dich dann nach Hause zu dieser späten Stunde.“ Er drückte sich manchmal etwas gewählt aus.

„Einverstanden“,rief Oma Käthchen fröhlich,als ob es das selbstverständlichste von der Welt wäre,nachts von einer Horde singender und sprechender Erdbeeren nach Hause gebracht zu werden. Es war schon ein seltsamer Anblick:Vorneweg ging unsere Rumpeloma,gestützt von der großen Erdbeere Jakob,da Käthchen wegen ihrer Kurzsichtigkeit ein wenig unsicher auf den falsch bestrumpften Beinen war,und hinter ihnen sprang,purzelte und kullerte die übrige Erdbeerenschar.Zu Hause bei Oma Käthchen angekommen,gab es erstmal sehr viel Schlagsahne für alle.Mit viel Zucker drin.Sie aßen,schmatzten und mampften und dazwischen rief Käthchen immer mal wieder:“Wer möchte noch Schlagsahne?“Und alle riefen:“Ich,ich,ich.“Und dann alle im Chor:“Aber ohne Erdbeeren!“Darüber wollten sie sich kaputtlachen,am lautesten lachte natürlich Rumpeloma.

Nach dem Schmaus gab es für alle einen von Oma Käthchen selbstgebrauten Verdauungsschnaps und danach wurde Tango getanzt.Die Erdbeeren tanzten und wirbelten schneller und immer schneller,mittendrin das Käthchen vom stolzen Jakob geführt.Ich glaube,unser Käthchen war ein kleines bißchen verliebt in ihn.Jedenfalls war es die schönste durchtanzte Nacht ihres Lebens.

Endlich graute der Morgen und Wortführer Jakob mahnte zum Aufbruch.Denn ein Erdbeerfeld ohne Erdbeeren? Das geht gar nicht.Aber zu spät!Unbarmherzig wurde an die Tür des kleinen baufälligen Häuschens gepocht.Sofort versteckten sich die Erdbeeren in der riesigen,leeren Schlagsahneschüssel und unsere leicht beschwipste Rumpeloma öffnete die Tür.

Draußen standen drei Herren in schwarzen Anzügen,das waren:Der Minister,der Bankdirektor und der Vermieter.Der Minister sagte zu Oma Käthchen:“Sie kriegen nur noch die halbe Rente.Die andere Hälfte brauchen wir für Bildung und Forschung.“ Der Bankdirektor sagte:“Bei so wenig Geld müssen wir Ihnen leider das Konto sperren.“Der Vermieter sagte nur vier Worte:“Raus aus dem Haus.“

Während das alles geschah und Oma Käthchen sich anschickte,halb lachend,halb weinend in Ohnmacht zu fallen,wurde in der riesigen Schlagsahneschüssel eifrig getuschelt. „Wer ist das?“,flüsterte die dicke Rosalinde angstvoll. „Wie Erdbeeren sehen die jedenfalls nicht aus“,antwortete der hagere Jochen verdrossen.Natürlich überlegten Rumpelomas Freunde fieberhaft,wie sie ihr helfen könnten.Anführer Jakob hatte die rettende Idee. „Laßt uns tanzen“,flüsterte er beschwörend.“Wenn die drei schwarzen Männer sehen,wie wir tanzen,wird das bestimmt eine große,wohltuende Wirkung auf sie haben.Sie werden mit uns tanzen und lachen und alles wird gut.“

Also sahen die drei Herren plötzlich,wie aus einer umfangreichen Sahneschüssel eine Erdbeere nach der anderen rauskrabbelte und anfing ,Tango zu tanzen. Bald waren sie von einer großen Horde dieser roten,tanzenden Köstlichkeiten umringt.Das hatte tatsächlich eine wohltuende Wirkung,allerdings eine etwas andere,als sich Jakob vorgestellt hatte.Die drei Herren fielen nämlich vor Schreck auf der Stelle um und waren sofort mausetot.Sie wurden in Ehren bestattet,lange Reden wurden gehalten und so weiter.Keiner kümmerte sich mehr um Oma Käthchen,die ihren Erdbeerfreunden strahlend dankte und sich mit ihnen auf ein regelmäßigesTreffen einmal wöchentlich mitternachts um zwölf Uhr verständigte.Zum Schlagsahne essen,reden tanzen und lachen.“So wirds gemacht“,sagte Jakob,der Tapfere.Dann verabschiedeten sie sich fröhlich von Oma Käthchen,marschierten zurück aufs Erdbeerfeld und stellten sich wieder in Reih und Glied auf,als wäre nichts geschehen.

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