Weit oben, am großen Himmel, lebte die kleine Wolke Kumula. Sie war die einzige von den vielen Wolken, die dunkel war. Alle anderen waren weiß und schwebten leicht und zart über die Erde dahin. Wenn die Menschen nach oben sahen, lächelten sie vergnügt. „ Ach, wie schön, die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Wie weiß die Wolken sind, das bedeutet schönes Wetter“, seufzten sie froh. Das hörte die kleine Kumula. Traurig versteckte sie sich hinter der Sonne, obwohl es dort ziemlich heiß war. Sie hatte sich schon so lange nicht mehr hervorgetraut, denn wenn sie es mal gewagt hatte, war immer ein großes Geschrei unten auf der Erde gewesen. „ Igitt, eine kleine dunkle Wolke ist am Himmel. Das bedeutet Regen“, schrien die Menschen und spannten sofort ihre Schirme auf, obwohl es noch gar nicht regnete. Denn Kumula konnte nicht regnen. Sie wußte doch überhaupt nicht, wie das geht. Keiner hatte es ihr beigebracht. Manchmal hatte sie heimlich geübt. Sie hatte die Wolkenbäckchen aufgeblasen, sie hatte gepustet und gepustet. Aber das einzige, was sie hervorbrachte, war ein bisschen Wind.
Ganz allein war Kumula, denn die großen, dunklen Wolken waren schon lange weggezogen. „ Das Geschrei der Menschen, wenn sie uns sehen, halten wir nervlich nicht mehr durch“, hatten sie gemeint. „ Schließlich sind wir nicht mehr die Jüngsten. Wir ziehen in den Norden. Da regen sich die Menschen über ein paar Regentropfen nicht so auf, wenn sie auch nicht gerade begeistert sind. Komm doch mit, Kumula.“ Aber Kumula blieb lieber daheim. Sie fürchtete das fremde Land. Traurig hatte sie ihrer Regenwolkenverwandtschaft nachgewunken, die schwarz und schwer Richtung Norden gezogen war.
Der kleinen Wolke perlte der Schweiß von der Stirn, so heiß war es hinter der Sonne. Eingebildet zogen die weißen Schönwetterwolken am Himmel entlang. „ Huh, da hat aber jemand Angst. Wir sehen Dich trotzdem, brauchst Dich gar nicht zu verstecken. Du bist aber auch so schwarz und hässlich. Kein Wunder, wenn Dich die Menschen nicht mögen. Wenn Du auftauchst, verschwindet die Sonne “, riefen sie gehässig. „ Ich hätte gegen ein paar Tage Kurzurlaub nichts einzuwenden“ , brummte die Sonne, die sich über die hochmütigen, weißen Wolken ärgerte. „ Zieh woanders hin, Kumula, zieh dahin, wo es richtig heiß ist“, riet sie ihr. „ Dort freuen sich die Menschen, wenn sie Dich sehen. Am besten, Du machst Dich noch heute Nacht auf den Weg. Da triffst Du den Mond, der wird Dir den Weg weisen.“
Also machte sich die kleine Wolke nachts auf den Weg. Es war so dunkel, so ruhig, so still. Was, wenn jetzt die gemeinen weißen Wolken kämen, um sie zu ärgern und zu verfolgen. Ängstlich jagte Kumula über den schwarzen Himmel. Allmählich aber, langsam und gemütlich, ging der Mond auf. Sofort erhellte sich die finstere Nacht. Die kleine dunkle Wolke raste am Mond vorbei, ein schwarzes Etwas, das sich für einen winzigen Moment vor ihn schob.
Liebe Kinder, habt ihr in der letzten Zeit, nachts, obwohl ihr da ja eigentlich schlafen solltet, eine kleine dunkle Wolke gesehen, die angstvoll am großen, gelben Mond vorbeigejagt ist? Das war bestimmt Kumula.
„ Kumula“, rief der freundliche Mond, der bereits bestens von der Sonne informiert war. „ Du musst, wenn Du den goldenen Stern erreicht hast, rechts rum und dann immer geradeaus. Morgen früh bist Du am Ziel Deiner Reise.“
So war es. Morgens war Kumula tatsächlich angekommen, wie es ihr der Mond vorhergesagt hatte. Aber wo war sie eigentlich gelandet? Es war ein so fremdes Land. Heiß war es, oh ja, da hatte die Sonne recht gehabt. Die musste es schließlich wissen. Der Himmel war blitzeblau, keine einzige weiße Wolke war zu sehen, niemand, der sich über sie lustig machen konnte.Sie war die einzige Wolke weit und breit. Kumula blickte hinunter auf die Erde. „ Die Menschen sehen hier anders aus als zu Hause. Sie sind ja dunkel wie ich. Ganz aufgeregt rennen sie herum. Sie lachen und winken. Sie gucken nach oben. Meinen sie etwa mich?“, wisperte sie ungläubig. Die dunklen Menschen hörten nicht auf zu winken, zu lachen und nach oben zu schauen. „ Sie meinen wirklich mich“, dachte sie glücklich. Vor lauter Freude kullerten ihr ein paar Tränen aus den Wolkenaugen und tropften hinunter auf die Erde. „ Das sind Regentropfen. Ich kann regnen. Juhuu, ich kann endlich regnen“, rief die kleine Wolke aufgeregt. In ihr war so viel Stolz und Freude, dass sie meinte platzen zu müssen. Immer grösser , immer gewaltiger wurde sie. Bald war sie so riesig, dass sie den ganzen Himmel überzog. Kumula war keine kleine dunkle Wolke mehr, jetzt war sie groß und schwarz. Jetzt konnte sie richtig regnen. Die Menschen unten auf der Erde jubelten, sangen und tanzten. Ihre lachenden Gesichter blickten nach oben zur kleinen großen Wolke Kumula.
Und es regnete und regnete.